Zur Schadenshaftung bei Selbstentzündung von Fahrzeug in Tiefgarage

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2013 – 9 S 319/12

Kommt es an einem in einer privaten Tiefgarage abgestellten Kfz zu einer Selbstentzündung durch einen technischen Defekt und infolgedessen zu einem Brand, der auf ein anderes Fahrzeug übergreift, ist das Haftungsmerkmal “bei dem Betrieb” i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig erfüllt.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 05.06.2012 – 7 C 165/12 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 2.924,20 zuzüglich Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2012 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 316,18 zuzüglich Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2012 zu bezahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags erbringt.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Gemäß §§ 540, 313a ZPO wird von der Darstellung des Sachverhalts abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2

Mit seiner Klage hat der Kläger Schadensersatz wegen Beschädigungen an seinem Kraftfahrzeug verlangt, auf welches ein Brand vom Fahrzeug der Beklagten zu 2 übergegriffen hatte. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, angesichts des Zeitraums von mehr als 24 Stunden zwischen Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten zu 2 in der Tiefgarage und dem Inbrandgeraten aufgrund Selbstentzündung durch technischen Defekt fehle es am Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 I StVG. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang sei nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

3

Der Kläger greift das ihm am 20.06.2012 zugestellte Urteil mit seiner am 19.07.2012 eingegangenen Berufung an und verfolgt sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er ist der Auffassung, dass eine zurechenbare Betriebsgefahr i.S.v. § 7 I StVG vorliege und damit sein in der Höhe unstreitiger Schaden ersatzfähig sei.

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Der Kläger beantragt wie tenoriert.

5

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und verteidigen das angefochtene Urteil. Im Übrigen bestreiten sie fürsorglich, dass die Schadensursache ein technischer Defekt im Bereich der Batterie sei.
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Ergänzend wird auf das zweitinstanzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Der Schaden am Klägerfahrzeug ist bei Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 2 entstanden und nach §§ 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG von den Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldnern ersatzfähig.

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1. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus § 7 I StVG liegen vor.

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a) Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb” ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 I StVG umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist (BGH, VersR 2005, 992; NJW-RR 2008, 764, je m.w.N.; stRspr). An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (BGH, NJW-RR 2008, 764, 765, m.w.N.).

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Im vorliegenden Fall kam es am Kfz der Beklagten zu 2 zu einer Selbstentzündung durch einen technischen Defekt und infolgedessen zu einem Brand, der auf das Klägerfahrzeug übergriff. In diesem Vorgang hat sich eine vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht. Ob die Ursache für die Selbstentzündung dabei tatsächlich im Bereich der Batterie anzusiedeln ist, was die Beklagten als nicht erwiesen ansehen, ist unerheblich. Jedenfalls steht fest, dass die Brandursache in einer technischen Einrichtung im Motorraum des Fahrzeugs liegt und nicht von außen an das Fahrzeug herangetragen wurde. Hiervon abzugrenzen ist die Gefahrverursachung durch Verhalten Dritter, die nicht unter den Schutzzweck von § 7 I StVG fällt (BGH, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine nicht aus dem Kfz der Beklagten zu 2 herrührende Brandursache haben die Beklagten nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

11

Das Amtsgericht verneint die Haftung mit dem Argument, ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz liege nicht vor. Zutreffend ist, dass angesichts der verstrichenen Zeit von mehr als 24 Stunden zwischen Abstellen des Kfz und seiner Entzündung ein naher zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang nicht mehr gegeben ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Länge der Zeitspanne zwischen Abstellen und Brandausbruch in einem solchen Fall von Zufälligkeiten abhängt und eine klare Grenzziehung schwierig macht. Dies kann indes hier offen bleiben. Jedenfalls ist mit der Selbstentzündung und dem hieraus resultierenden Schaden am Nachbarfahrzeug ein enger und unmittelbarer Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kfz gegeben und damit der Zurechnungszusammenhang zu bejahen. Welche Betriebseinrichtung dies war – möglicherweise die Batterie -, kann dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung.

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Unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm greift § 7 I StVG erst dann nicht mehr ein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keine Rolle mehr spielt (so auch OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es zu Inspektionszwecken aus dem allgemeinen Verkehr entfernt und in eine Werkstatt eingestellt wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2011, 190, 192). Demgegenüber kann nach Auffassung des Gerichts der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kfz nicht auf den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt mit dem Kfz begrenzt werden (so aber wohl LG Coburg, Urteil v. 27.01.2010 – 21 O 195/09 -, wiedergegeben bei juris). Der weite Schutzzweck des § 7 I StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird (BGH, a.a.O.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 7 StVG, Rn. 1). Die Besonderheit eines Kfz, für andere Verkehrsteilnehmer eine spezifische Gefahr darstellen zu können, besteht nicht nur, solange es fortbewegt wird. Spezifische Gefahren können auch – wenn auch weitaus seltener – aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen. Dies gilt auch nach Abstellen des Kfz (ähnlich OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196; Grüneberg, NZV 2001, 109, 111 f.).

13

Schließlich steht der Haftung aus § 7 I StVG auch nicht entgegen, dass sich der Brand in der privaten Tiefgarage eines Mehrparteienanwesens ereignet hat. Aus dem Wortlaut des § 7 I StVG ergibt sich keine Einschränkung auf Vorfälle im Rahmen des allgemeinen öffentlichen Verkehrs (OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Angesichts des oft regen Kraftfahrzeugverkehrs auch auf solchem Privatgelände und des damit einhergehenden Gefährdungspotentials erscheint eine Ausnahme von der Gefährdungshaftung nicht gerechtfertigt (König, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 5a; Grüneberg, NZV 2001, 109, 110).

14

Die sonstigen Voraussetzungen einer Haftung nach § 7 I StVG sind ebenfalls erfüllt. Ein Fall höherer Gewalt nach § 7 II StVG oder sonstige Ausschlusstatbestände liegen nicht vor.

15

b) Dem Kläger ist infolge des Brandes an seinem Kfz ein unstreitiger Sachschaden in Höhe von EUR 2.924,20 entstanden. Er kann diesen von den Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldnern ersetzt verlangen (§ 115 I 4 VVG).

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2. Weiter kann der Kläger auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 von den Beklagten ersetzt verlangen. Die Schadenersatzpflicht aus § 7 I StVG erstreckt sich auch auf die Kosten einer erforderlichen und zweckgemäßen vorgerichtlichen Rechtsverfolgung (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 249 BGB, Rn. 57).

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3. Der Zinsanspruch für die Hauptforderung und die vorgerichtlichen Anwaltskosten ab dem 20.03.2012 ergibt sich aus §§ 280 I, II, 286, 288 I BGB. Mit Schreiben vom 09.03.2012 wurde der Beklagten zu 1 erfolglos eine Frist zur Schadensbegleichung bis 19.03.2012 gesetzt. Damit kam auch die Beklagte zu 2 in Verzug, da die Zahlungsaufforderung gegenüber dem Kfz-Pflichtversicherer ausgesprochen wurde und ihr damit ausnahmsweise Gesamtwirkung zukommt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 425 BGB, Rn. 3).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

19

5. Die Revision wird zugelassen, da es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 543 II 1 Nr. 1 ZPO handelt. Voraussetzung hierfür ist, dass eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012, § 543 ZPO, Rn. 11 m.w.N.). Dass sich bei abgestellten Fahrzeugen auch noch nach einiger Zeit eine spezifische Betriebsgefahr verwirklicht, ist – wie bereits die veröffentlichte Rechtsprechung zeigt – kein Einzelfall und kann zu erheblichen Sachschäden führen. Die rechtliche Behandlung solcher Konstellationen erscheint bislang nicht vollständig geklärt, wie sich etwa aus der abweichenden Ansicht des LG Coburg (a.a.O.) ersehen lässt.

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